TEAM
Stab
Drehbuch und Regie: Ulli Gladik
Kamera: Klemens Hufnagl, Sandra Merseburger, Enzo Brandner
Ton: Marko Pelaic, Grega Svabic, Johannes Paul Heilig
Schnitt: Elke Groen, Karin Hammer
Produzenten: Arash T. Riahi, Michael Seeber, Sabine Gruber, Sinisa Juricic
Produktion: Golden Girls Filmproduktion & Filmservices GmbH
Verleih Österreich: Polyfilm Verleih
Ulli Gladik, Regisseurin
Foto: Marianne Weiss
Ulli Gladik wurde in Bruck an der Mur geboren. Sie absolvierte die Schule für künstlerische Fotografie bei Friedl Kubelka und studierte an der Akademie der bildenden Künste in Wien Fotografie und Malerei. Ihr erster Dokumentarfilm „Natasha“ erschien 2008, heuer folgte „Global Shopping Village“. Seit ihrem Diplom in der Meisterinnenklasse Eva Schlegel an der Akademie der bildenden Künste arbeitet Ulli Gladik als freischaffende Filmemacherin. Sie lebt in Wien.
Filmografie
„Natasha“ 84 min, 2008, Dokumentarfilm gefördert von der IFA, Cine Styria, Kulturamt Wien, Robert Bosch Stiftung www.natasha-der-film.at
„drei cents“, 28 min, 2004, Dokumentarfilm ausgezeichnet mit dem „Ohne Kohle Award 2005“ und dem „Golden Wheel 2012“
„DAS REVERSAD“, 15 min, 2004, Experimentalfilm Verfilmung des buchstabenpalindromatischen Werkes von Thomas Frechberger, gefördert vom Kulturamt der Stadt Wien
Preise und Auszeichnungen:
2016 Umweltverdienstzeichen des Landes Salzburg für „Global Shopping Village“
2015 Honorable Mention Award für „Global Shopping Village“,
International Film Awards Berlin 2015
2012 Golden Wheel Grand Prix „best director“ für „drei cents“
2011 Prälat Leopold Ungar JournalistInnenpreis für „Eine Mafia, die bettelt?“
2009 Cine Styria Filmkunstpreis
2005 Ohne Kohle Award für „drei cents“
2001 Sussmann Förderungspreis für Bildende Kunst
Interviews
Interview mit Ulli Gladik in der "Kleinen Zeitung" von Lisa Holzfeind am 10.4.2015
Interview mit Regisseurin Ulli Gladik in "retail" von Matthias Köb im Dezember 2015
Interview mit Regisseurin Ulli Gladik im Standard von Wojciech Czaja am 18. Oktober 2014
Interview mit Regisseurin Ulli Gladik im Volksblatt von Philipp Wagenhofer am 23. Oktober 2014
Interview mit Regisseurin Ulli Gladik im VCÖ Magazin von Christian Höller, 27.11.2014
Interview mit Regisseurin Ulli Gladik im Onlinemagazin Kirtag von Pia Gärtner im August 2014
Interview mit Regisseurin Ulli Gladik in den Salzburger Nachrichten von Heinz Bayer am 18.3.2015
VCÖ-Magazin: Wie findet eine Regisseurin von Dokumentarfilmen ihr Thema? Was war für Sie der Auslöser, einen Film über Shoppingcenter zu machen?
Ulli Gladik: Ich bin in Murau, Steiermark, aufgewachsen und musste ab Mitte der 1990er Jahre beobachten, wie sich immer mehr Fachmarktzentren am Stadtrand ansiedelten. Mit den Fachmarktzentren kamen auch Parkflächen, Kreisverkehre, Werbetürme dazu und beeindruckt von diesen rasanten Veränderungen, habe ich begonnen, das fotografisch zu dokumentieren. Nicht nur in Murau, sondern auch in Sofia, wo ich im Jahr 2001 ein Studienjahr verbrachte. Im Jahr 2008 reifte dann der Entschluss, das Thema auch inhaltlich zu bearbeiten. Mit Hilfe eines Stipendiums vom Land Steiermark konnte ich mich dann auf eine spannende Recherchereise begeben. Meine Frage war, warum so viele Fachmarkt- und Einkaufszentren gebaut werden, wer davon profitiert, warum sie so erfolgreich sind, etc.
„Die Finanzmärkte sind die treibende Kraft“
VCÖ-Magazin: Sie legen in Ihrem Film den Fokus stark auf die Investorenseite beim Bau von Shoppingcenter. War das von Anfang an geplant, oder hat sich das während des Drehens entwickelt?
Ulli Gladik: Im Jahr 2008, bei einem Kongress in Zagreb – „Operation Stadt“ hieß er - war auch viel von der Rolle der Immobilien- und Finanzmarktbranche die Rede. Denn das viele Geld, das auf den Finanzmärkten nach Veranlagung strebt, ist ja die treibende Kraft hinter dem Bauboom. Im Jahr 2009, als ich dann begann, Akteure aus der Immobilienbranche zu kontaktieren, war die Bereitschaft mit mir zu sprechen auch sehr hoch. Ich hatte den Eindruck, das lag daran, dass sich die Branche gerade in einer - wenn auch kurzen - Reflexionsphase befand.
VCÖ-Magazin: Der Fokus des Films auf die Investorenperspektive wirft für mich die Frage auf: Worum geht es beim Bau von Shoppingcenter tatsächlich? Wer sind die treibenden Kräfte? Und wer sind die Getriebenen dabei?
Ulli Gladik: Beim Verkauf eines Shoppingcenters, dem so genannten „Exit“, können hohe Erträge erzielen werden. Walter Brune und Holger Pump-Uhlmann sprechen im Film von 25 Prozent Gewinn auf das eingesetzte Kapital. Das heißt, wenn das Shoppingcenter 100 Millionen Euro kostet, sind 25 Prozent Gewinn 25 Millionen. Wer ein Shoppingcenters kauft, will mit den Mieten dann eine Rendite auf sein eingesetztes Kapital erzielen. Die Käufer sind meist Fonds oder Finanzgruppen, Banken, etc. Vor allem in Osteuropa habe ich beobachtet, dass Shoppingcenter sehr schnell die Besitzer wechseln und dass die Renditehoffnung oft gar nicht aufgeht. Leid tragende sind oft auch Kleinanleger, Inhaber von privaten Pensionsversicherungen, etc. Denn die Investmentmanagerinnen und - manager, so erzählte mir ein kroatischer Shoppingcenterentwickler, müssen oft keine Verantwortung dafür übernehmen, wenn ein Investment schief geht. Das Investment wird oft lediglich aufgrund von Excel-Tabellen und Prognosen gemacht. Das Zagreber King Cross Shoppingcenter, das im Film vorkommt, hat beispielsweise 90 Prozent seines Wertes verloren. Es gehört einem deutschen Fonds, bei dem auch Privatanlegerinnen und Privatanleger Gelder investiert haben.
VCÖ-Magazin: Sind Shoppingcenter primär Spekulationsobjekte, bei denen es nur um die Rendite aus den Mieten geht?
Ulli Gladik: Es gibt natürlich auch viele Objekte, wo sich die Investoren ganz genau ausrechnen, ob und welchen Ertrag es erbringen wird, sich also davor ganz genau beraten lassen und sich eine Situation vor Ort ansehen, ob ihr Investment aufgeht. Ich würde sagen, ja, es geht immer um Rendite, nein, es geht nicht immer um Spekulation.
„Überrascht hat mich aber auch, wie sehr am Bedarf vorbeigebaut wird“
VCÖ-Magazin: Was hat Sie bei der Arbeit an dem Filmthema am meisten überrascht?
Ulli Gladik: Einerseits hat mich in meiner Naivität natürlich überrascht, wie offen in der Immobilienbranche über Profitinteressen gesprochen wird. Überrascht hat mich aber auch, wie sehr am Bedarf vorbeigebaut wird. Auch wenn eine Stadt schon genug Verkaufsfläche hat, werden oft dennoch neue Flächen gebaut, weil man nicht nur hofft, denn letzten Kunden aus der Innenstadt abzuziehen, sondern auch die Kunden aus den bereits vorhandenen Shoppingcenter abzuwerben. Wir haben auch in Österreich schon Leerstände: etwa im Gasometer in Wien, oder das Linzer Center Uno Shopping steht leer. Auch gibt es Fachmarktflächen, die leer sind, in Frauenkirchen, oder in Zeltweg, in Wolfsberg in Kärnten, und so weiter.
VCÖ-Magazin: Sie haben in mehreren Ländern (Österreich, Deutschland, Rumänien, Bulgarien, Kroatien …) gedreht – welche Unterschiede bezüglich des Zugangs zum Thema Shoppingcenter haben Sie festgestellt? Gibt es etwas, was Österreich von den anderen Ländern unterscheidet?Ulli Gladik: In Österreich haben wir eine enorme Dichte an Fachmarktzentren, das sind die großen Verkaufsflächen am Stadtrand, die nicht durch eine Mall, also einem überdachten Gang, verbunden sind. In Deutschland ist die Raumordnung rigider, deswegen haben sich Entwickler auf die Innenstadt konzentriert, wobei aber meist nur das Grüne-Wiese-Modell des überdimensionalen Shoppingcenters einfach auf eine Industriebrache in die Innenstadt verfrachtet wird, mit dem Versprechen, die Innenstadt zu beleben. Ein Innenstadtcenter kann eine Innenstadt aber nur beleben, wenn es, wie Walter Brune, Architekt und Stadtplaner, immer sagt, die Innenstadt ergänzt, sich an die Maßstäbe anpasst und viele Durchgänge schafft. Wenn es aber so groß gebaut wird und sich selbst genügt, weil die Leute da ja mit dem Auto rein fahren können, drinnen alles finden was sie brauchen, dann wird es der Stadt Schaden zufügen. Ich war gerade in Klagenfurt, wo mit den City Arkaden dieser deutsche Innenstadtcentertypus umgesetzt wird. Die Klagenfurter Innenstadtkaufleute leiden sehr unter dem Center. In Osteuropa setzt man besonders auf Entertainment im Shoppingcenter.
VCÖ-Magazin: Im Film wird auch viel auf die Rolle der Politikerinnen, Politiker und der Raumplanungsbehörden Bezug genommen – aber beide kommen nur indirekt vor – haben Sie aus diesen beiden Bereichen keine Interviewpartner gefunden?
Ulli Gladik: Ich habe schon auch mit Politikern und Behörden gesprochen, aber die Antworten, die ich bekam, waren nicht erläuternd. Spannend fand ich dann aber, wie sich etwa der niederösterreichische Raumordnungslandesrat bei der Eröffnung des Shoppingcenters in Hollabrunn verhielt. Das sagt, glaub ich, mehr als tausend Worte. Die steirische Raumordnungsbehörde hätte sich im Interview nur auf allgemeine Ausführungen beschränken wollen, nicht aber meine Frage beantwortet, warum ein Ort wie Fohnsdorf ein so riesiges Einkaufszentrum haben darf.
„Das Shoppingcenter ist nicht nur eine Folge der Automobilisierung, sondern treibt sie weiter voran“
VCÖ-Magazin: Welche Rolle spielt der Verkehr, die Mobilität, das Auto beim ungebremsten Bau von Shoppingcentern?
Ulli Gladik: Shoppingcenter sind natürlich auch eine Folge der Automobilisierung unserer Gesellschaft. Die Innenstädte bieten den Autos wenig Platz und das Shoppingcenter ist die einfachste Antwort darauf. Es bietet Parkplätze, große Zufahrten, etc. Ich meine, es wurde verabsäumt, rechtzeitig Lösungen zu suchen, neue Verkehrskonzepte für die Innenstadt zu entwickeln, oder überhaupt dem Autoverkehr entgegenzuwirken. Das Shoppingcenter ist nicht nur eine Folge der Automobilisierung, sondern treibt sie weiter voran. Es gibt viele Orte in Österreich, wo man ohne ein Auto zu benutzen gar nicht mehr einkaufen kann. Das ist ein Riesenproblem, vor allem für Leute, die nicht fahren. Mit der Überalterung der Gesellschaft werden viele Gemeinden Shuttlebusse einrichten müssen, oder ein Lieferservice, damit die Leute überhaupt noch versorgt werden können.
VCÖ-Magazin: Verursachen Shoppingcenter auch – wie der Verkehr - externe Kosten, die von den Investoren, den Geschäften dort auf die Allgemeinheit abgewälzt werden?
Ulli Gladik: Ansiedelungen auf der grünen Wiese erfordern hohe Infrastrukturkosten und verursachen verschiedenste Folgekosten - etwa durch Umweltschäden, die etwa die Bodenversiegelung mit sich bringt, oder soziale Folgen. Das heißt, das billige T-Shirt ausw dem Fachmarktzentrum, ist letztendlich nicht billig, weil die Steuerzahlerin, der Steuerzahler auf der anderen Seite ja für die Folgekosten wieder zur Kassa gebeten wird. Hier ist es auf jeden Fall auch ganz wichtig, Kostenwahrheit herzustellen und das Thema ganzheitlich zu betrachten.
Das Gespräch führte Christian Höller.